Saarbrücker Zeitung, 2.2.1999, S. 8

Wenn der Professor aus dem Netz kommt

Die Universitäten gewinnen an Fahrt auf dem Weg in die virtuelle Zukunft - In Saarbrücken sind Juristen und Wirtschaftsinformatiker ganz vorne mit dabei

Eine Uni ohne Wände, ein Dozent im Bildschirmformat, eine Fachdiskussion per Mausklick - Wie ausgereift ist die Lehre per Computer?

Das Surfen entwickelt sich in saarländischen Studentenkreisen immer mehr zum Volkssport. Alle machen mit, nicht nur die Informatiker. So ist auch das Sportwissenschaftliche Institut der Universität des Saarlandes bei der Nutzung des Internets für Lehrveranstaltungen besonders fit. Und seit geraumer Zeit überfluten eine Reihe von Instituten der Universitäten und der Fachhochschulen das globale Computernetz mit einer Fülle von innovativen Angeboten: Neben der bereits zur Selbstverständlichkeit gewordenen "Studienfach-Homepage" sind auch online-Seminare und -Vorlesungen, virtuelle Lernprogramme und Sprechstunden, ja sogar ein virtuelles Prüfungsamt, im Angebot zu finden. Einige der Angebote im Internet gibt es bereits seit geraumer Zeit: Bahnbrechend in Deutschland war da zum Beispiel der virtuelle Studiengang "Wirtschaftsinformatik online", der von dem Saarbrücker Professor August Wilhelm Scheer in Zusammenarbeit mit den Universitäten Leipzig, Kassel und Göttingen entwickelt wurde und im Sommersemester 1997 startete. Via Internet können Studenten dieser vier Hochschulen seitdem ein komplettes Studium absolvieren, ohne jemals einen Fuß in den Hörsaal zu setzen.

Insgesamt 200 Stunden multimedial aufbereiteten Lernstoffes stehen dafür im Netz zur Verfügung. Auch das Saarbrücker Institut für Rechtsinformatik gehört mit dem von den Professoren Maximilian Herberger und Helmut Rüßmann geleiteten "Juristischen Internetprojekt" bundesweit zu den ersten Adressen: Die übersichtlich gegliederte Homepage neben Deutsch auch in Englisch, Französisch und Japanisch abrufbar bietet eine Unmenge an juristischem Handwerkszeug zum Herunterladen und Durchsuchen, wie zum Beispiel wichtige Gesetzestexte, Vertragswerke oder das komplette Bundesgesetzblatt. Besonders interessant: die interaktiven Lernprogramme und das "Bijus"-Projekt in Zusammenarbeit mit der Universität Nancy. "Bijus" bedeutet Jura auf beiden Seiten, der deutschen und der französischen. In der hochaktuellen "Bijus"-Datenbank sind denn auch wichtige deutsche und französische Gesetzestexte, jeweils in die Sprache des Partnerlandes übersetzt, abrufbar. Und, ganz aktuell, heute startet zudem das Internet-Projekt "Europäisierung des Rechts", eine Art Juristen-Überlebenstraining für den "Paragraphendschungel" Europa. Besonders experimentierfreudig präsentiert sich, wie eingangs erwähnt, vor allem das Sportwissenschaftliche Institut (SWI) der Uni. In Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), läuft dort seit Frühjahr 1998 ein von der Europäischen Union (EU) gefördertes Modellprojekt. Auch in diesem Jahr gibt es wieder EU-Geld für die fortschrittlichen Sportwissenschaftler: "ITES" (Information Technologies in European Sport and Sport Science") heißt das neue Lieblingskind der Professoren Reinhard Daugs (Sportwissenschaft) und Klaus-Jürgen Schmidt (HTW).

Das Innovative daran: Es werden nicht nur multimedial aufbereitete Lernmaterialien wie Folien und Statistiken angeboten, sondern die Vorlesung wird live wie im Fernsehen im Internet übertragen. Für den Benutzer bringt das den Vorteil, daß er von zu Hause aus aktiv an der Veranstaltung teilnehmen kann: auf seine Fragen, die via Datenautobahn direkt in die Veranstaltung geleitet werden, erhält er umgehend eine Antwort.

Auch Saarbrücker Erziehungswissenschaftler haben sich in Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Psychologie der Uni Trier ein cleveres Lehr- und Lernrogramm einfallen lassen. Seit diesem Wintersemester macht der virtuelle Trainer "incops" Studenten in den Grundlagen der kognitiven Psychologie fit. Fragebögen werden online korrigiert, Hilfestellungen per e-mail angeboten. Das Programm "merkt" sich den Wissensstand des Teilnehmers und erstellt auf dieser Grundlage ein individuelles Benutzermodell.

Der Verkehr im saarländischen universitären Cyberspace wird also immer dichter. Neben den vorgestellten Projekten, die den traditionellen Lehrbetrieb bereits gründlich aufgemischt haben, hat auch die Universität selbst einige Investitionen im multimedialen Bereich getätigt: So ist das Medienzentrum erweitert worden, auchein Videokonferenzstudio wurde kürzlich eingerichtet. Im Rahmen des "Interreg"-Projektes "Sprachenangebotsverbund Saar-Lor" können Studenten, die einen Aufenthalt in Frankreich planen, per Videokonferenz-Schaltung schon mal direkten Kontakt mit den Partner-Unis aufzunehmen. Um die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in der traditionellen Lehre wirkungsvoll einzusetzen, bedarf es allerdings gewisser multimedialer Grundkenntnisse der Studenten. Nicht selten ist dies das Hauptproblem auf dem Weg zur virtuellen Universität.

Wer losgelöst von Raum und Zeit im Cyberspace studieren möchte, muß gut ausgestattet sein: Ein Computer mit der Leistungsstärke eines Pentiums inklusive Soundkarte und Modem ist Voraussetzung. Benötigte Zusatz-Software, um die verschiedenen online-Angebote zum Laufen zu bringen, kann in der Regel kostenlos vom Netz heruntergeladen werden. Kleiner Tip für Einsteiger ohne die nötige hardware: Die Cip-Pools der Universität sind gut ausgerüstet, man findet sie in geballter Form im neuen Sprachenzentrum auf dem Saarbrücker Campus. 

ESTHER BRAUN

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